Auf der dänischen Insel Møn lässt sich all sommerlich ein sehr seltsames Phänomen beobachten. Urlauber, von denen man eigentlich erwarten würde, dass sie herumliegen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, wandern stundenlang an der Steilküste Møns Klint im Osten der Insel entlang. Die weißen Kreidefelsen ragen an machen Stellen bis zu beeindruckenden 130m über dem schmalen Steinstrand empor. Sand gibt es hier kaum, nur jede Menge Kalk- und Feuerstein. Zum Baden ist hier keiner gekommen. Von Zeit zu Zeit wird ein, von Meer besonders rund geschliffener, Brocken aufgehoben und kräftig geschüttelt. Man ist auf der Suche nach dem Klapperstein.

Von alten Schwämmen 

Wie der Name schon sagt, klappern diese Steine, wenn sie geschüttelt werden. Von außen sehen sie recht unscheinbar aus: glatt geschliffene, kugelförmige, etwa kinderfaustgroße Feuersteine. Ihr Geheimnis verbirgt sich im Inneren:

Klapperstein

Wie auf der  Computertomografie(CT)-Aufnahme deutlich zu sehen befindet sich in der Feuersteinkugel ein kleiner Hohlraum mit einem Objekt, das hier im Gegensatz zum rot dargestellten Feuerstein grün gefärbt ist. Die Farben geben einen Aufschluss für die Dichte der Bereiche (Fortsetzung zu Computertomografie folgt!). In der Medizin, wo CT-Geräte normalerweise Anwendung finden, kann man auf diese Weise verschiedene Gewebearten voneinander unterscheiden. So sehen Knochen völlig anders aus als Muskelzellen, welche sich wiederum von den verschiedenen Organen unterscheiden. Auch im Bild lassen sich unterschiedliche Materialien erkennen, nur sind es hier eben Gesteinstypen. Im Zentrum sitzt keineswegs nur ein gelöstes Stück Feuerstein, sondern ein versteinerter Kieselschwamm. Er kann sich in dem Hohlraum, der zu sehen ist, frei bewegen und damit Klappergeräusche erzeugen. Doch wie kam eigentlich der Schwamm in den Stein? Offensichtlich gar nicht, denn der Stein ist ja schließlich verschlossen. Und wenn der Schwamm nicht zum Stein kommt, dann muss der Stein eben zum Schwamm kommen …

Wie der Klapperstein zu klappern begann

Ein Klapperstein
Ein Klapperstein. Am unteren Bildrand ist die Öffnung zu erkennen, durch die Meerwasser in den Stein eindrang und das Kieselschwamm-Fossil freilegte.

Nach dem der Schwamm vor langer Zeit sein, hoffentlich glückliches, Schwamm-Dasein geführt hatte, blieb von ihn nichts mehr übrig als ein Kieselgur-Skelett. Daran lagerte sich vor 145–66 Millionen Jahren im Kreidezeitalter Kalkgestein an, das schließlich von Feuerstein umschlossen wurde. Blieb dabei durch die Struktur des Skeletts ein Verbindungskanal zwischen Innenraum und Steinoberfläche offen, könnte in der folgenden Zeit Meerwasser eindringen und den Kalk herauslösen. Das Kieselfossil wurde beweglich – ein Klapperstein ist entstanden.

Ein Hühnergott. Er besteht aus Feuerstein mit Kreideeinlagerungen und hat ein auf natürliche Weise entstandenes Loch (rechts unten).
Ein Hühnergott. Er besteht aus Feuerstein mit Kreideeinlagerungen und hat ein auf natürliche Weise entstandenes Loch (rechts unten).

Echte Klappersteine sind relativ selten. Selbst auf einem Tagesausflug der ausschließlich dem Schütteln von kugeligen Feuersteinen gewidmet ist, braucht man noch einiges Glück. So manch einer verbringt die Zeit statt dessen lieber am sonnigen Sandstrand, versucht sich an einem Steinzeitlagerfeuer, oder sammelt die wesentlich häufigeren Hühnergötter. Das sind Feuersteine mit Kreideeinlagerungen die natürlich entstandene Löcher besitzen. Aber sollte es bei einem Ausflug zu den Kreidefelsen an Møns Klint, doch einmal verdächtig klappern, dann ist der ganz sicher zuhause, der Kieselschwamm, auch wenn er sich gut versteckt.

Eine Fortsetzung zur Computertomografie folgt bald!

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Am Rande: Wie kommt man dazu einen klappenden Stein, ja genau irgendeinen STEIN, den man irgendwo im Nirgendwo aufgesammelt hat, unter ein Hochtechnologie-Medizinprodukt wie ein CT zu legen? Wird man da nicht am Krankenhauseingang für verrückt erklärt? Dank der Unterstützung eines langjährigen Mitarbeiters und eines Werkstudenten, fand mein Fundstück den Weg in eine hiesige Weltfirma. Das ermöglichte einen einmaligen Einblick in die Wohnstätte eines sehr, sehr alten Schwamms (Ich glaube wirklich nicht, dass je jemand vorher auf die Idee kam einen Klapperstein unter ein CT zu legen. Wenn doch, dann schicke mir bitte den Link!).